ZU BESUCH IM BORDELL
6020 Stadtmagazin, Interview, April 2018
Viele gehen jeden Tag daran vorbei, am alteingesessenen „Lady-O’“. Doch wie sieht die Welt hinter der blinkenden Fassade aus? Männer, die von einem Besuch erzählen, sind rar, und Frauen haben als Besucherinnen keinen Zutritt. Für uns wurde eine Ausnahme gemacht.
Der Samstagabend beginnt mit einem Bild der Gegensätze: eine lange Schlange und Türsteher vorm Felix, während es gegenüber beim Lady-O’ eine Klingel und verdunkelte Scheiben gibt. Der Geschäftsführer öffnet mir persönlich die Tür. „Der könnte auch Golflehrer sein“, schießt mir durch den Kopf, wobei ich mich gleichzeitig frage, wie ich mir den Geschäftsführer eines Bordells eigentlich vorgestellt habe. Wolfi Ohrwalder ist 47 Jahre alt, gebürtiger Innsbrucker und seit drei Jahren Geschäftsführer im Lady-O’.
Geradeaus befindet sich eine Rezeption mit Osterdeko, links geht’s zur Bar. Die Charts-Musik ist laut, ich sehe rot-schwarzes Interieur und einige junge Frauen sowie Männer jeglichen Alters. Wolfi und ich setzen uns in die Couchecke. Am anderen Ende des Raums beobachte ich zwei Männer, die zwei Mädchen lachend Handyfotos zeigen. Sie scheinen sehr vertraut. Wolfi erzählt mir, dass er viele Jahre in der Hotellerie tätig war, unter anderem in Italien. Durch Zufall hat er vor drei Jahren den Besitzer des Innsbrucker Bordells Casa Bianca kennengelernt, und dieser hat ihm den Job als Geschäftsführer im Lady-O’ angeboten. „Es ist ein Dienstleistungs-Business wie jedes andere. Bedenken hatte ich keine und auch in meinem Umfeld hatte niemand damit ein Problem“, erklärt Wolfi und bestellt bei der Bardame Mineralwasser.
ANBANDELN AUF 20 ZENTIMETERN.
14 Mädchen zwischen 21 und 34 sind derzeit im Lady-O‘ beschäftigt. Die meisten kommen aus Rumänien und sind seit mindestens einem Jahr im Lady-O’ tätig, und zwar als Selbstständige mit Einkommenssteuerpflicht und regelmäßigen amtsärztlichen Untersuchungen. Während mein Blick über 20-Zentimeter-Absätze, eingekeilt in Barhockern, schweift, will ich von Wolfi wissen, ob die Mädchen Innsbruck überhaupt kennen. „Zumindest die Einkaufsmöglichkeiten kennen sie“, sagt Wolfi, „die meisten arbeiten drei Wochen am Stück und fliegen dann für eine Woche auf Urlaub.“
„ICH EMPFEHLE DEN MÄDCHEN, DIESEN JOB HÖCHSTENS FÜNF BIS SECHS JAHRE AUSZUÜBEN“, WOLFI OHRWALDER, GESCHÄFTSFÜHRER LADY-O
Ich beobachte, dass die Besucher im Lokal zunächst mal „ankommen“ sollen. Erst nach ein paar Minuten, spätestens, wenn die ersten Getränke serviert werden, setzt sich ein Mädchen zum Gast. Es hat fast den Eindruck von zufälligen Bekanntschaften, ähnlich einer „normalen“ Bar. „Männer können auch einfach nur für ein Getränk in die Bar kommen, die Mädchen sind unaufdringlich und entscheiden selbst, mit welchem Mann sie den Kontakt suchen.“ Die wenigsten Männer scheinen allein da zu sein, die meisten sind mindestens zu zweit. „Am beliebtesten sind die Mädchen mit der größten Lebensfreude“, erklärt Wolfi und bestellt noch ein Glas Mineralwasser. Er raucht und trinkt nicht, nur so ist die nächtliche Arbeit für ihn kein Problem.
Ich bemerke, wie eine Vierer-Gruppe junger Männer in die Bar kommt. Ich schätze sie auf höchstens 20. Zwei tragen Baseballcaps. Sind die Bordell-Besucher in den letzten Jahren jünger geworden? „Das weiß ich nicht. Die sexuellen Wünsche sind aber sicher ausgefallener. Früher war es ja schon eine Sensation, wenn jemand von einer Prostituierten ein wenig ausgepeitscht wurde, durch das Internet kennen viele heute deutlich mehr Sexpraktiken.“ Vor allem Sadomaso-Fantasien scheinen in Innsbruck noch zu wenig Befriedigung zu finden. Wolfi plant im Keller des Lady-O’ eine Art „Folterkammer“ einzurichten.
FRÜHER WAR MEHR CHAMPAGNER.
Das Lady-O‘ gibt es seit über 40 Jahren. Inzwischen sind schon einige Männer-Generationen ein und aus gegangen. Auch wenn Wolfi im Lady-O’ relativ neu ist, so kennt er doch die Erzählungen. „Früher ist mehr Champagner geflossen. Es hat tagelange Partys gegeben. Viele sind nach dem Casino ins Lady-O’ gekommen und haben noch einmal ordentlich Geld ausgegeben, egal, ob sie im Casino gewonnen haben oder nicht. Das ist heute anders. Ich finde, das Nachtleben in Innsbruck ist generell ruhiger geworden.“
Veränderungen gab es auch bei den Räumlichkeiten im Lady-O’, das Bordell ist heute etwa doppelt so groß wie früher. Immer noch existierende „Geheimgänge“ zeugen davon, dass die Prostitution früher sittenwidrig war. Kunden konnten den Prostituierten das Entgelt verwehren, ohne rechtliche Folgen zu erwarten. 2012 wurde dies vom Obersten Gerichtshof aufgehoben, seitdem haben Prostituierte einen besseren rechtlichen Stand und können ihren Lohn einklagen.
Wolfi bietet mir eine Zimmerbesichtigung an. „Unsere drei Whirlpool-Zimmer sind die beliebtesten.“ Die Zimmer sind so, wie ich sie mir vorgestellt habe, viel Deko, viele Spiegel, schwere Vorhänge und Teppichboden. Witzig ist das „Tiroler“-Zimmer mit rustikalem Himmelbett. Trotzdem wird mir eins noch mal bewusst: Im Bett seinen Arbeitsplatz zu haben, ist schon etwas anderes, als wie Wolfi zwischen Büro und Bar zu pendeln. „Es ist für die Mädchen hart verdientes Geld“, gibt er zu.
EINE RUNDE RESPEKT.
Wolfi ist es wichtig, ein wertschätzender Geschäftsführer zu sein. „Gerade diesen Mädchen muss man Selbstbewusstsein geben. Ich möchte vermitteln, dass kein Mädchen hier herinnen schlechter ist als ein Mädchen draußen.“ Etwa alle drei Wochen bittet Wolfi die Mädchen zu Meetings. „Dabei wird Verschiedenes besprochen, etwa wie die Kunden in der Bar behandelt werden sollen oder welche Mottopartys es in Zukunft geben wird. Ich finde es wichtig, die Mädchen respektvoll zu behandeln, und respektvoll soll die Atmosphäre im Lady-O’ ja auch generell sein.“
„DIESEN MÄDCHEN MUSS MAN SELBSTBEWUSSTSEIN GEBEN“, WOLFI OHRWALDER, GESCHÄFTSFÜHRER LADY-O
Aber was macht das mit den jungen Frauen, wenn sie tagtäglich ihren Körper verkaufen? „Ich empfehle den Mädchen, diesen Job höchstens fünf bis sechs Jahre auszuüben. In dieser Zeit sollten sie genug verdient haben, um sich in ihrer Heimat, Rumänien beispielsweise, etwas aufbauen zu können“, sagt Wolfi. „Aber leider gibt’s schon auch ab und zu Mädchen, die nach einigen Jahren so gehen, wie sie gekommen sind, und zwar mit nichts.“
Mia ist mit 21 Jahren die Jüngste im Bordell, sie möchte später studieren. Ob alle Mädchen freiwillig hier sind, frage ich nicht, weil ich mir darauf keine ehrliche Antwort erwarte. Wolfi meint, einige der Damen hätten „Manager“ in ihren Heimatländern.
FAZIT NACH MITTERNACHT.
Bis sechs Uhr morgens hat das Lady-O‘ täglich geöffnet, so lange halte ich nicht durch. Es wird Zeit für mein Fazit: Unwohl oder peinlich berührt habe ich mich im Bordell zu meinem eigenen Erstaunen nicht gefühlt. Das liegt vor allem daran, dass die Stimmung in der Bar ungezwungener und lockerer ist, als man sie sich erwartet. Auch die Besucher sind jünger und selbstbewusster, als es das Klischee verspricht. Und auch wenn das Gewerbe ganz sicher seine dunklen Seiten hat, als schmuddelig habe ich weder die Besucher noch das Haus erlebt.
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